Katharina Klioba, Copyright Eva Haeberle
Wolfgang Mackens bei mint:pink 2014, Copyright NAT, Claudia Höhne
Hamburg, Mai 2021
Am Programmtag Mathe & Informatik haben Katharina Klioba und Wolfgang Mackens die Technomathematik vorgestellt. Katharina Klioba ist Absolventin dieses Studiengangs und arbeitet aktuell als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TUHH. Wolfgang Mackens ist Professor der Mathematik und lehrt an der TUHH. Beide beantworten hier einige Fragen der Schülerinnen.
Bringt das Studium Spaß? Ist es sehr schwer? Ist das Studium durch die Doppelgleisigkeit schwieriger als andere Studiengänge?
Katharina Klioba: Mir hat das Studium viel Spaß gebracht, da ich mich sowohl vertieft mit Mathematik beschäftigen konnte als auch einen Einblick in diverse technische Anwendungsbereiche erhalten habe. Besonders motiviert haben mich einerseits die große Wahlfreiheit an zwei Universitäten und die damit verbundene Interdisziplinarität, andererseits das Umfeld. Denn sowohl motivierte Mitstudierende als auch Professoren, die die Begeisterung für ihr Fach weitergeben, machen das Studium sehr viel angenehmer. Als anspruchsvoll habe ich das Studium schon wahrgenommen, vor allem in den ersten drei Semestern, aber keineswegs als unschaffbar. Selbstorganisation, Interesse an den Inhalten, eine gute Lerngruppe und nicht zuletzt eine gewisse Frustrationstoleranz helfen dabei, es zu meistern. Die zusätzlichen Informatik- bzw. Ingenieurfächer haben es mir durch den Anwendungsbezug eher erleichtert als erschwert. Außerdem hat man bei einem reinen Mathematikstudium auch immer ein nichtmathematisches Nebenfach, das dort nur weniger miteinander verzahnt ist.
Waren Sie schon immer an Mathe interessiert?
Katharina Klioba: Ja und gleichzeitig nein. Schon früh fand ich Mathe faszinierend, habe passende AGs besucht und an Mathewettbewerben teilgenommen. Andererseits habe ich mich auch für viele andere Themen wie Französisch oder Philosophie begeistert, sodass meine Studienwahl erst im letzten Schuljahr feststand.
Ist es manchmal schwierig, sich die mathematischen Probleme im Studium vorzustellen oder kann man die ganz gut visualisieren?
Wolfgang Mackens: Das ist ja nun der schwierige Teil der Mathematik für Noch-Nicht-Mathematikerinnen, zu verstehen, dass es darum geht, den inneren Kern einer Problemklasse zu ergründen durch Abstraktion. Andererseits wird man insbesondere, wenn man der Angewandten Mathematik zugewandt ist, abstrakt vermittelte Sachverhalte stets und mehrfach auf Anwendbarkeit abklopfen. Dafür will man sie als Angewandte Mathematikerin ja auch verstehen.
Kann man den Matheunterricht mit dem Studium vergleichen oder ist das quasi etwas ganz anderes?
Katharina Klioba: An der Uni liegt der Schwerpunkt viel weniger auf dem Ausrechnen von Dingen nach Schema F. Außerdem gibt es viel weniger Wiederholungen oder Aufgaben vom gleichen Aufgabentyp als in der Schule. Stattdessen geht es viel mehr um tiefergehendes Verständnis von Definitionen, mathematischen Sätzen und Konzepten. Ein wichtiges Tool sind hierbei mathematische Beweise: Für jede Behauptung, die ich aufstelle, muss ich zeigen können, dass sie immer war ist und nicht nur für ein paar Fälle, die ich beispielhaft ausprobiert habe.
Würden Sie, wenn Sie die Wahl hätten, wieder Mathe studieren?
Katharina Klioba: Ja, sofort! Technomathematik war genau der richtige Studiengang für mich - ich konnte interdisziplinär über den Tellerrand schauen und habe einen Ingenieurstitel, bin aber trotzdem vollausgebildete Mathematikerin und keine Mathematikerin "light". Vermutlich würde ich mich auch wieder für Hamburg entscheiden, da die Kombination aus familiärer Studienatmosphäre mit engen Kontakt zu den Lehrenden und gleichzeitig außerordentlich großem Fächerangebot und Wahlfreiheit einzigartig ist. An anderen Unis muss man sich meist direkt zu Beginn auf ein Anwendungsfach festlegen.
Was könnte ein Thema für die Bachelorarbeit sein?
Katharina Klioba: In meiner Bachelorarbeit ging es um Bauteile aus der Elektrotechnik, z.B. eine Leiterplatte. Selbst wenn ich einen genauen Plan anfertige, kann ich doch nie ganz genau vorhersagen, wie das Bauteil am Ende aussieht. Mal ist ein Loch einen Mikrometer weiter links, mal ist der Durchmesser etwas kleiner als geplant. Diese Ungenauigkeiten in der Fertigung beeinflussen aber die Funktionsweise des fertigen Bauteils. Also muss vorher überlegt werden, wie stark die zufälligen Fehler die Eigenschaften des Bauteils verändern können. Ein mathematisches Verfahren, um mit diesen zufälligen Fehlern umzugehen, ist das polynomielle Chaos. Für dieses Verfahren habe ich in meiner Bachelorarbeit eine Fehlerabschätzung bewiesen und für verschiedene Arten von zufälligen Fehlern Konstanten bestimmt. Damit konnte die Fehlerabschätzung in einem Elektrotechnik-Projekt angewendet werden.
Wolfgang Mackens: Die letzten drei Bachelorarbeiten bei mir waren: Berechnung der Fußgängerstöme bei der Evakuierung eines Stadiums, Chemische Reaktion eines Gases mit einer in einer geschüttelten Flüssigkeit gelösten Substanz (In Normalsprache übersetzt) und Schnelle numerische Lösung eines nichtlinearen Gleichungssystems aus der Klimatologie.
Wie kommt man von der Mechanik auf eine Gleichung bzw. wie leitet man eine Gleichung aus der Umwelt ab?
Wolfgang Mackens: Das lernt man in der Mechanik bzw. in den anderen Anwendungfächern, die Mathematik anwenden, dazu hat man als Mathematikerin ja das Anwendungsfach. Viele zu lösende Aufgaben entstehen z.B. aus der Newtonschen Bewegungsgleichung F = ma; Kraft = Masse mal Beschleunigung. Wenn man die Kraft kennt, die ein Raketenmotor ausübt (oder mehrere, zum Steuern), und die Masse der Rakete, die sich natürlich wegen des ausgestoßenen Treibstoffes laufend verändert, kennt man die Beschleunigung und kann damit ausrechnen, wie die Rakete wohin fliegt. Viele andere Gleichungen entstehen durch Kraftgleichgewichte. Wenn etwas in Ruhe ist (etwa eine Brücke), müssen sich alle Kräfte ausgleichen. Damit wird man dann im einfachsten Fall auf ein lineares Gleichungssystem für die in den Brückenpfeilern und -stäben herrschenden Kräfte geführt.
Wie viel Physik ist bei diesem Studiengang dabei?
Wolfgang Mackens: Relativ viel (als Abiturientin würde man vermutlich die Mechanik und die E-Technik des 1. und 2. Semesters ganz in die Physik einordnen wollen). Da die Physik viele Bereiche der Welt der Mathematik zugänglich macht und Ingenieurinnen Probleme aus der Welt beheben oder die Probleme doch wenigstens entschärfen, müssen sie sich der Physik bedienen. Anders als Physiker selbst, verwenden sie aber meistens Methoden aus dem etablierten Teil der Physik.
Katharina Klioba: Wie viel Physik im Studium vorkommt, kann man auch selbst mitentscheiden durch die Fächerwahl. Ich habe beispielsweise meine Masterarbeit in der mathematischen Physik geschrieben und mich ein Semester lang nur mit mathematischen Problemen beschäftigt, die in der Physik, genauer bei Quantencomputern, auftauchen.